Haushaltsrede Andreas Pelzer 2023

03. Oktober 2023

Hier könnt ihr die Haushaltsrede 2023 der SPD Fraktion, vorgetragen durch den Fraktionssprecher Andreas Pelzer nachlesen.

Sehr geehrter Bürgermeister Pfefferer, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, verehrte Ortsprecherin und Ortssprecher, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, nach drei Jahren der Legislaturperiode – also in der Halbzeit – würde ich gerne im Zuge meiner Haushaltsrede eine Standortbestimmung vornehmen und wie die Weichen für die restlichen drei Jahre bzw. für die weitere Zukunft gestellt werden können. Seht mir es deshalb bitte nach, dass meine Rede ein paar Minuten länger dauern wird. Ich verspreche Euch aber, dass meine Rede nicht - wie einst in einem alten Marineprotokoll festgehalten - so lange dauern wird, „dass am Ende die anwesenden Personen sichtlich gealtert den Raum verließen“. Wir sind im Dauerkrisenmodus angekommen: Dauerhafte Flüchtlingskrise - in allen Kommunen ein permanent aktuelles Thema; Corona-Krise mit dauerhaften finanziellen Folgen für Staat und Kommunen; Krieg vor der Haustür mit der damit verbundenen Energiekrise; Seit fast zwei Jahren hohe Inflation von 7%[1] und mehr - alles wird viel, viel teurer; Und über allem der Klimawandel mit den ständigen spürbaren Folgen und auch kommunalen Herausforderungen; Der Kämmerer der Stadt München sieht multidimensionale Krisen, die alle Städte und Kommunen bedrohen[2] In der Tat: Krisen kommen häufiger vor, sie sind gravierender und treffen uns, in einer globalen Welt, alle. Aber was hat das mit unserem Haushalt zu tun? Was kann der Haushalt eigentlich? Zunächst einmal ist der Haushalt der Handlungsplan für die Verwaltung. Er zeigt die finanzielle Lage der Gemeinde auf. Diesen hat der Kämmerer Erwin Bleibinhaus - von dessen viel zu frühen und plötzlichen Tod wir immer noch erschüttert sind – wie immer – solide aufgestellt. Eine ordentliche Basis also. Da wir in unserer Stadt Monheim und in unseren Ortsteilen aber nicht auf einer Insel leben, zeigt unser Haushalt natürlich auch die von solchen Krisen ausgehenden Gefahrenpotentiale auf. Das sehen wir bei uns zum Beispiel auch an den geringen Gewerbesteuereinnahmen an der für Monheim zu erwartenden historisch hohen Verschuldung der Vielzahl anstehender Projekte, die sicher teurer werden usw. Der Haushalt soll, der Haushalt muss sogar – meiner Meinung nach - mehr sein als ein Abbild des tagespolitischen Geschäfts. Er muss ein Abbild unserer Strategie sein. Das heißt, was sind unsere kurz-, mittel- und langfristigen Ziele, welche Schwerpunkte will ich als Stadt besetzen, wo will ich hin? Das würde sich dann in den Investitionsschwerpunkten bemerkbar machen. Ist das wichtig? Ist es wichtig, sich mit Zukunftsstrategien unserer Gemeinde zu beschäftigen? Wäre es sinnvoll, ein kommunalpolitisches Leitbild zu haben, das kurz-, mittel- und langfristige Ziele abbildet? Ist aktives Gestalten nicht die zentrale politische Aufgabe? Wollen wir nicht nur reagieren, sondern auch agieren? Und heißt das nicht, dass wir unsere Stadt nachhaltig so aufzustellen haben, dass sie für die Zukunft gerüstet ist. Dass sie auch für unsere Kinder und Enkel lebenswert bleibt? Natürlich ist das wichtig - das ist sogar überlebenswichtig. Wir merken doch – und deshalb hat sehr wohl der Haushalt mit aktuellen Krisen zu tun - dass die öffentliche Hand die Krisen abfedert. Mit viel Geld. Damit es zu weniger harten Einschnitten für uns kommt. Diese finanzielle Aufwendung des Staates auf allen Ebenen wird uns aber für lange Zeit einschränken. Dieses finanziell „weniger“ trifft dann eben auch uns - die Kommunen. Wenn der Kuchen kleiner wird, fehlt irgendwo etwas. Das sehen wir schon an unserem aktuellen Haushalt Der Landkreis hat weniger Geld und erhöht den Kreisumlagesatz – und zwar von 46,0 auf 49,3 v.H. So bezahlt Monheim lt. unserem Haushalt in 2023 rd. 4,4 Mio. EUR an den Landkreis – in 2024 werden es wohl rd. 5,3 Mio. EUR sein.[3]

Gewerbesteuernahmen sinken. Statt Einnahmen in Höhe von rd. 8,6 Mio. EUR, wie im Jahr 2022 werden nun deutlich kleinere Brötchen gebacken. Rund 2,3 Mio. EUR für das Jahr 2023 sieht der Haushalt vor. Nicht mal ein Drittel der Einnahmen aus 2022.[4]

Dieser Ansatz wird uns auch in 2024 begleiten.

Frisches Geld muss deshalb her: vorgesehen sind rd. 3,5 Mio. EUR für das Jahr 2023 und voraussichtlich rd. 2,3 Mio. EUR in 2024.[5] Zum 31.12.2023 läge damit der Schuldenstand bei rund über 7 Mio. EUR – so hoch wie in den letzten 40 Jahren nicht.[6] Und wie bekannt bei steigenden Zinsen. Der Leitzins ist mit 3,75%. so hoch wie zuletzt vor 15 Jahren. Das Geld wird teurer...

...viele ausstehende Projekte wegen der Inflation auch.

Was braucht es also? Wir haben keine klare Strategie - wie soll es denn in Zukunft weitergehen? Wo wollen wir denn hin? Das ist aber nicht Sache des Kämmerers und auch im ersten Schritt nicht Sache des Stadtrats. Das ist Sache der Führung, das ist Sache des Bürgermeisters und dann erst Sache des Stadtrats. Das ist deine Aufgabe, lieber Günther und das fehlt uns vollständig. Wo ist eine Strategie, wo ist dein Gestaltungsansatz für die nächsten Monate und Jahre bei überhaupt knappen Kassen? Wie hat dieser Gestaltungsansatz in den letzten drei Jahren ausgesehen und wie sieht er für die nächsten Jahre aus - wo willst Du mit Monheim hin? „Gestalten kann man nur, wenn man eine Vorstellung von der Zukunft hat“, Das ist ein Bekenntnis, zu klar formulierten Zielen für eine erfolgreiche Kommunalpolitik. Man kann es auch Leitbild nennen oder Vision. Dieses Zitat stammt übrigens von dem von mir sehr geschätzten Vordenker für ländliche Planung und Entwicklung dem CSU-Urgestein Alois Glück, der mit seinen 84 Jahren nicht müde wird, darum zu werben. Wo sind sie also – die Perspektiven, die ein Bürgermeister zumindest vorzugeben hat. Warum finden denn nicht mit unseren vier bis sechs größten Gewerbesteuerzahlern turnusmäßige Gespräche statt, um abschätzen zu können, wo es mit den Finanzen in die nächsten Jahre hingehen kann und soll? Warum wurden und werden Menschen, die in unserer Stadt viele Arbeitsplätze schaffen und erhalten nicht regelmäßig in Standortdiskussionen mit einbezogen? Wo ist andererseits die Priorisierung und die Kostensensibilität der im Haushalt stehenden Projekte, wie der Neugestaltung des Bauhofs den großen Infrastrukturmaßnahmen, (Straßen, etc.) Projekten, wie Pump-Track-Anlage, Spiel- und Sportplätze Und sollten wir uns nicht endlich eine nachhaltig, funktionierende Führungspolitik im Personalwesen zulegen – angesichts der bekannten Gründe einer hohen Fluktuation und einem Mangel an Fachkräften? Und schließlich: Brauchen wir nicht auch Partner (und wie finden wir sie) für schon lange anstehende Aufgaben, wie dem Amtsgericht (Schloss) als identitätsstiftende Immobilie, die aber in einem - wie bekannt - gefährlichen, baufälligen Zustand ist und sicherlich aktuell nicht zum positiven Erscheinungsbild beiträgt; für notwendige Richtungsentscheidungen, was die zukünftige Energieversorgung bei uns betrifft; mit unseren Leerständen und Teilleerständen, wie das Haus des Gastes, umzugehen ist. Und mit welchen Partnern gelingt uns eine Strategie und eine Umsetzung einer Innenstadtbelebung. Oder reicht uns für eine Innenstadtbelebung ein historisches Stadtfest alle drei bis fünf Jahre? Alois Glück würde sagen: „Gestalten kann man nur, wenn man eine Vorstellung von der Zukunft hat“. Da geht’s um ganz einfache Fragen: „Wer sind wir?“ und „Wo wollen wir hin?“ und um die daraus folgende Schrittfolge der Umsetzung – unser Hausaufgabenheft. Das alles gehört eben auch zur Diskussion über einen Haushaltsplan. Diese Zielsetzung gemeinsam (durchaus mit den Bürgerinnen und Bürgern) zu erarbeiten, darum geht es doch am Anfang jeder Unternehmung: Sind wir ländlicher Raum? Sind wir urban? Wie wollen wir wohnen? Wollen wir Gewerbeansiedlung und wenn ja welche und wie kommen wir dann an die ran? Wollen wir eine spezielle Ausrichtung wie z.B. Sportstadt, Familien-Kommune, Hama-Stadt sein? Oder wollen wir doch „Drei-Stämme-Stadt“ sein? Aber wenn wir „Drei-Stämme-Stadt“ sein wollen, wie machen wir das dann? Was machen wir daraus? Was leiten wir davon ab? So wie andere ein „Klosterdorf“ sind und sich daran orientieren oder wieder andere „Bergsteigerdorf“ sind und damit klare Ziele eines sanften Tourismus verfolgen und aus diesem Leitbild Entscheidungen ableiten. Da können uns durchaus auch die vielen Blickwinkel aller Bürger helfen. Was es heißt, die Bürger nicht mitzunehmen, dürften wir mittlerweile am Projekt Altweiherweg/Tagespflege gemerkt haben und was es heißt, Projekte für sich vereinnahmen zu wollen und mit nicht ganz eigenen Federn zu schmücken, auch. Was spricht denn dagegen, mal neue Wege zu gehen? Dass sich zum Beispiel die Gemeinde A um die Ansiedlung von Gewerbe kümmert, die Gemeinde B Vorsorge für das Wohnen trifft. Es liegt auf der Hand, dass dann natürlich auch die Nutzen und Lasten geteilt bzw. gemeinsam getragen werden müssen.[7] Was für eine mutige, visionäre Idee - die in der Tat schon fast 30 Jahre alt ist und wir unter dem Begriff interkommunale Zusammenarbeit kennen. Das alles setzt aber voraus, dass ich weiß, wo ich hinwill. Weiß ich nicht, wo ich hinwill, brauch ich mich nicht zu wundern, wenn ich ganz woanders rauskomme, so Christian Lindner am Rande des Ludwig Erhard Gipfels vor ein paar Tagen in Gmund am Tegernsee. Unser Problem ist somit nicht der hier vorliegende Haushalt – trotz seiner Unwägbarkeiten. Wir haben kein Haushaltsproblem, wir haben ein gravierendes Führungsproblem. Orientierung und Führung sind Aufgabe des Bürgermeisters. Nicht umsonst hat sich die VG Wemding - ausgewählt als eine von 13 bayerischen Pilotkommunen - für ein Pilotprogramm des Freistaats Bayern beworben und Orientierung gesucht. Das vom Freistaat geförderte Programm soll den Kommunen helfen, auf die verschiedenen Herausforderungen des demografischen und gesellschaftlichen Wandels passgenau vor Ort zu reagieren und sich zukunftssicher aufzustellen. „Demokratiefeste Kommune“ heißt das übrigens. Die Auftaktveranstaltung war kürzlich am 17.04.2023 in Nürnberg. Mit Minister Füracker. Vor Bürgermeister und Landräten von 110 Kommunen[8] – warum waren wir dort nicht? Der dortige Bürgermeister Dr. Drexler hat eins begriffen: ohne Ziele, Führung und Strategie geht es zukünftig nicht mehr! Je globaler, komplexer und unruhiger die Welt wird, desto mehr brauchen Menschen Übersichtlichkeit, Beheimatung und ein Zuhause. Wir - die ländlichen Räume, die Stadt Monheim mit ihren Ortsteilen - sind der Stabilitätsfaktor - es sind nicht die großen Ballungsräume. Das ist eine große Chance für uns, und sollte uns Mut machen Mut, beim Gestalten und Umsetzen Mut bei der Auslegung von Vorschriften und Mut bei der Beteiligung von Mitbürgern... ...aber ohne Ziele, Führung und Strategie geht das eben nicht! Bei unsicheren Haushaltslagen noch weniger. Ich bin mir sicher, verehrter Bürgermeister, lieber Günther, dass Du meine Unterstützung und die meiner Stadtratskolleginnen und -kollegen hast, wenn es darum geht, Richtung, Ziele und Strategien gemeinsam zu erarbeiten. Vorangehen musst aber Du. Wir brauchen für die nächsten Jahre bei den bevorstehenden Aufgaben und der vorherrschenden Haushaltslage mutiges und motiviertes Personal, klare Führung, ein professionelles Umsetzen und eindeutige Ziele. Und deshalb schließe ich meine Haushaltsrede mit dem schönen Satz des alten CSU-Vordenkers Alois Glück, den ich eigentlich schon viel zu viel strapaziert habe, aber viele andere CSU-Politiker lassen sich eben nicht so gut strapazieren: „Die Mutigen sehen in jedem Problem eine Chance. Die Ängstlichen sehen in jeder Chance Probleme“. Wir als SPD-Fraktion stimmen dem Haushalt uneingeschränkt zu. Ich habe es beim letzten Mal schon so gehalten, dass ich mich nicht bei einzelnen Personen für ihr Engagement für die Stadt Monheim bedanke – eben wegen der Gefahr jemanden vergessen zu können. Somit bedanke ich mich stellvertretend bei allen Monheimerinnen und Monheimern, die sich für die Stadt und deren Menschen eingesetzt haben und dazu beitragen, dass ein lebhaftes, buntes und soziales Miteinander möglich ist. Herzlichen Dank.

Haushaltsrede 2023 der SPD-Fraktion vom 16.05.2023. Gehalten von Andreas Pelzer (es gilt das gesprochene Wort). 1 Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung vom 10.05.2023 2Haushaltsrede 2023 Stadtkämmerer München, Christoph Frey, https://stadt.muenchen.de/infos/hh2023reden.html3 S. Haushaltsplan der Stadt Monheim 2023, Vorbericht zum Haushalt 2023, S. 16 4 S. Haushaltsplan der Stadt Monheim 2023, Finanzplanungsjahre, S. 16 5 S. Haushaltsplan der Stadt Monheim 2023, S.20 und S. 87 6 S. Haushaltsplan der Stadt Monheim 2023, Finanzplan 2024 – 2026, S. 87 und Entwicklung Schulden, S.21 7 Zitat Alois Glück, 1994 aus der Festrede der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum 8 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und Heimat, Pressemitteilung 109, München 17.04.2023

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