Haushaltsrede 2024

Haushaltsrede 2024 am 07.05.2024 der SPD-Fraktion Sehr geehrter Bürgermeister Pfefferer, sehr geehrte Stadtratskolleginnen, sehr geehrte Stadtratskollegen, verehrte Ortsprecherin, verehrte Ortsprecher, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

am 31.12.1986 hatte das Erste Deutsche Fernsehen die Neujahresansprache von Helmut Kohl ausgestrahlt. Das wäre an sich nichts Besonderes gewesen, wäre nicht das Band vertauscht worden. So konnten die Zuschauer die Rede aus dem letzten Jahr nochmals sehen und hören. Das Kuriose dabei war: es ist gar nicht groß aufgefallen.

Auch als Kohl ein friedliches Jahr 1986 wünschte, dachten viele eher an einen Versprecher als an ein Missverständnis.

Vielleicht würde es mir heute ähnlich gehen, wie damals Helmut Kohl. Vielleicht würde es einigen gar nicht auffallen, wenn ich heute dieselbe Haushaltsrede halten würde, wie im letzten Jahr. Vielleicht wären sogar einige der Meinung, dass das schon längst einmal gesagt gehört hätte. Ja, vielleicht...

Ganz sicher aber wäre: an Aktualität hätte die letztjährige Haushaltsrede nichts eingebüßt.

Das ist einerseits zwar befriedigend. Befriedigend insofern, die im letzten Jahr schon erkennbare, prekäre Haushaltslage richtig eingeschätzt zu haben - Hinweise gegeben zu haben, dass nun endlich klares Führen und strategisches Anpacken gefragt sind - ein „Weiter so“ zu noch größeren finanziellen Problemen führen würde.

Andererseits ist es stark frustrierend, da ich – als Arzt würde ich sagen – zwar die richtige Diagnose gestellt habe. Nur zu einer Behandlung ist es nicht gekommen. Der Patient lebt zwar noch, muss aber immer mal wieder künstlich beatmet werden.

Wie sehen also die Planzahlen für den diesjährigen Haushalt 2024 aus:

  • Das Haushaltsvolumen hat einen voraussichtlichen Gesamtetat in Höhe von 27.137.613 EUR.

  • Was heißt das? Erstmal heißt das, dass wir Verantwortung über einen Haushalt – vergleichbar mit der Bilanzsumme eines mittelgroßen, mittelständischen Unternehmens mit rund 100 Mitarbeitern - haben und Verantwortung tragen, dass das Geld der Monheimerinnen und Monheimer bei uns gut aufgehoben ist.

Wie sieht es mit den Einnahmen aus?

  • Die voraussichtlichen reinen Steuereinnahmen liegen im Jahr2024 bei rd.10.121.280 EUR
  • DieSteuerkraftwirdin2024bei10.929.141EURoder1.995,83EUR pro Kopf der Einwohner in Monheim liegen
  • DamitliegenwirüberdembayernweitenDurchschnittmit1.564,99 EUR pro Kopf im Jahr 2024
  • Dass wir keine Schlüsselzuweisungen bekommen, ist ein weiteres Indiz für unsere gute Einnahmenseite.

Fazit: Die Stadt Monheim generiert nach wie vor überdurchschnittlich gute Einnahmen. Nur: wenn ich gut Geld einnehme und trotzdem nicht mit dem Geld auskomme, kann irgendwas nicht stimmen.

Wie sehen die Ausgaben aus?

Wir können – wie im letzten Jahr - ohne neue Schulden unseren Haushalt, trotz der guten Einnahmenseite, nicht ausgeglichen gestalten. Konkret heißt das: wir geben mehr Geld aus als wir einnehmen.

Warum gehen wir also nicht achtsam mit den Kostenentwicklungen um?

Die Personalkosten lagen im Jahr 2017 bei rd. 2,5 Mio. EUR. Im Jahr 2024 sind diese mit 4.740.871 EUR geplant - eine Steigerung von 89,6% in 8 Jahren.

Die Ausgaben für Sach- und Betriebsaufwand stiegen im gleichen Zeitraum um 56,5%.

Ich finde es großartig lebenswert, dass wir uns zwei Bäder, eine Stadthalle, ein traditionelles Stadtfest, umfassendes Löschwesen mit vielen Feuerwehren, ausgezeichnete Kinderbetreuungseinrichtungen mit hochmotiviertem Personal u.v.m. leisten. Nur: können wir uns das in Zukunft so noch alles leisten? Haben wir uns nicht mal gefragt, wo es Einsparpotentiale oder Einnahmeverbesserungen gibt? Also wie lassen sich Defizite reduzieren? Das ist doch eine ständige Prüfaufgabe!

Augenblicklich schauen wir allerdings nicht auf Einsparpotentiale – wir gleichen alles mit Schulden aus:

  • 3,0 Mio. neue Schulden im Jahr 2022
  • 3,5 Mio. neue Schulden im Jahr 2023 und
  • für dieses Jahr sind sogar 4,25 Mio. neue Schulden geplant.

Dabei sind die letzten großen Investitionen, wie z.B. die unseres Kindergartens weitgehend abgeschlossen. Die Stadt Monheim hatte Anfang 2021 insgesamt rd. 1,69 Mio. EUR Schulden. Ende 2024 werden es voraussichtlich rd. 10,8 Mio. EUR sein. Eine Steigerung von 2021 auf heute: rd. 539% nach Tilgung in 4 Jahren!

Einen Kassenkredit in Höhe von etwa 900.000 EUR schleppen wir aus dem Jahr 2023 immer noch mit.

Und das hört nicht auf:

In den nächsten 3 Jahren sollen nochmals 3,2 Mio. EUR obendrauf kommen. D.h. abzgl. Tilgungen liegt die Stadt Monheim dann Ende 2027 bei voraussichtlich rd. 12 Mio. EUR Schulden, bei einer pro Kopf Verschuldung in Höhe von 2.181 EUR (von ursprünglich 325 EUR im Jahr 2021).

Augenblicklich können wir unsere Schulden nicht mit den laufenden Einnahmen decken. Eine Perspektive, wie das mittelfristig geschehen soll, ist nicht ersichtlich.

Und noch was ist besorgniserregend: Die Kommunale Haushaltsverordnung fordert im §22 eine Mindestzuführung an den Vermögenshauhalt in Höhe der Tilgungsleistungen (579.432 EUR). Das haben wir letztes Jahr nicht geschafft. Und schaffen es lt. Haushaltsplan in diesem Jahr erneut nicht.

Das sind Alarmzeichen. Alarmzeichen,

  • weil die Leistungsfähigkeit der Stadt auf dem Spiel steht,
  • Alarmzeichen, weil wir gerade Gefahr laufen auf Kosten nachfolgender Generationen zu wirtschaften,
  • Alarmzeichen, weil wir unsere Lebensqualität gefährden.

Wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern erklären müssen, dass wir unsere Bäder schließen müssen, weil wir die Alarmzeichen nicht rechtzeitig erkannt haben – ich will es nicht.

Aber das kommt ja nicht überraschend. Diese Alarmzeichen gab es bereits letztes Jahr. Es ist übrigens nachzulesen. In meiner Haushaltsrede vor ziemlich genau 12 Monaten habe ich bereits auf die Gefahrenpotentiale, wie * auf die geringeren Gewerbesteuereinnahmen, * auf die für Monheim historisch hohe Verschuldung, * auf die sich verschlechternden Rahmenbedingungen für Kommunen hingewiesen.

  1. Ich hatte damals wörtlich „Kostensensibilität“ eingefordert, eine „Priorisierung“ von Projekten und den Bürgermeister aufgefordert, endlich eine Strategie DAFÜR zu entwickeln – diese notwendige Strategie hatte ich damals nicht nur als wichtig, sondern als „überlebenswichtig“ eingestuft. Es ist nichts passiert!
  2. Ich hatte ebenfalls auf die Kreisumlage in Höhe von rd. 5 Mio. EUR hingewiesen, die in 2024 zu zahlen ist. Dieser Ausgabenblock ist seit über einem Jahr bekannt.
  3. Eswarmirwichtig,dasswireinenBlickaufdiesinkendenGewerbesteuern werfen sollen - dass wir als Stadt auf ein wirtschaftlich schwieriges Umfeld zusteuern, bei dem die Belastungen für Kommunen enorm werden. Und dass rechtzeitiges Gegensteuern wichtig ist. Dass ein „Weiter so“ leichtfertig ist.
  4. Und natürlich stehen Kommunen vor großen Herausforderungen, die stetig zunehmen (Flüchtlinge, Inflation, Klimawandel, multidimensionale Krisen). Aber gerade deshalb ist aktives Handeln doch so notwendig und gerade deshalb hatte ich mit einem Zitat des kürzlich verstorbenen CSU- Vordenkers Alois Glück auf eine notwendige Strategie, auf einen Gestaltungsansatz hingewiesen, den unser Bürgermeister als Führungskraft, als gewähltes Oberhaupt der Stadt, dem die Menschen ihre Zukunft (und ihr Geld) anvertraut haben, anstoßen hätte sollen – wie wir jetzt sehen: ja hätte müssen. Es ist hier nichts passiert.
  5. Ich hatte dem Bürgermeister, ich hatte Dir, Günther, damals auch ein Angebot unterbreitet, dass wir dich bei der Erarbeitung von Richtung, Zielen und Strategien unterstützen – damit nichts Schlimmeres passiert. „Vorangehen“, so meine Worte damals, „musst aber Du“.

Das alles hatte ich in meiner letzten Haushaltsrede 2023 bereits dargestellt – in der Hoffnung auf eine Reaktion. Das Angebot hast Du nicht wahrgenommen – eine Reaktion gab es auch keine. Ganz im Gegenteil:

Es gibt nach wie vor keine Strategie – weder für jetzt noch für die Zukunft. Die Kosten steigen weiter. Ein Plan, den Turnaround, die Wende hinzubekommen, ist nicht erkennbar. Weitere Warnsignale wurden nicht beachtet, wie etwa im Herbst letzten Jahres als die Liquiditätslage bereits angespannt war und wir kurzfristige Darlehen aufnehmen mussten.

Wir haben ein ganzes Jahr verloren und sollten uns nicht versündigen und nochmals ein Jahr verlieren. Ein Wahlrecht haben wir nun nicht mehr: Spätestens jetzt muss alles auf den Prüfstand.

Und es ist nicht so gewesen, dass viele meiner Stadtratskollegen ihre Rolle nicht ausgefüllt hätten. Es gab von uns genügend Hinweise, Vorschläge, Ideen und das seit Monaten, wie z.B.:

  • Dass wir endlich Stellenbeschreibungen, ein Organigramm und klare Führungsstrukturen für mehr Effizienz und Kosteneinsparungen brauchen.
  • Dass Projekte sauber zu planen, frühzeitig zu besprechen und professionell zu kommunizieren sind. Was beim Projekt der Tagespflege schief gegangen ist, ist beim „Deponieprojekt“ erneut schiefgelaufen – das kostet Zeit, das kostet Ressourcen, das kostet Geld.
  • Warum fand bisher keine klare Priorisierung aller Projekte statt?
  • Ressourcenplanung: was kann die Stadt finanziell, aber auch personell gerade leisten und was nicht. Das muss mit der Verwaltung abgeklärt sein, bevor es dem Stadtrat zur Abstimmung vorgelegt wird.
  • Bei der ewigen Diskussion über Überstunden geht es immer nur darum, dass wir neues Personal brauchen. Viel wichtiger wäre es, zu prüfen, warum sind diese Überstunden entstanden, um ableiten zu können, was muss getan werden und was nicht.
  • Und warum ist bei der Krisensitzung über die Finanzen im Herbst letzten Jahres nicht bereits ein Maßnahmenplan entwickelt worden? Wo ist das Hausaufgabenheft?
  • Warum geht man auf Vorschläge nicht ein, Abläufe und Organisationsstrukturen zu verändern. Wie können wir Aufgaben evtl. kooperativ oder outsourcend erledigen. Also schlicht: Wie können wir professioneller werden?

Nochmal: wir Stadträte können unsere ehrenamtliche Zeit, die meiner Meinung nach ohnehin schon über die Maße strapaziert wird, für Ideen, Vorschläge, Konzepte zur Verfügung stellen. Und auch wenn ich mich wiederhole:

Aber fürs Lenken, Leiten, Führen, für die Strategie und für die Umsetzung des Ganzen – dafür ist dann der Bürgermeister zuständig oder anders: wir können das Pferd schon an die Tränke führen – saufen muss es dann aber schon selbst.

Und...es ist ja kein Verbrechen es nicht zu können. Die Zeiten sind herausfordernd und übersteigen zuweilen die Kompetenz, die Vorstellungskraft und die Geeignetheit eines Einzelnen.

Es nicht zu können, dagegen aber nichts zu tun und sich keine Hilfe zu holen, ist verantwortungslos.

Ich habe lange überlegt und eigentlich wollte ich wegen der oben genannten Gründe dem hier vorliegenden Haushalt nicht zustimmen. Ich wollte auch dem Stadtrat und meiner Fraktion die Empfehlung aussprechen, diesen Haushaltsentwurf abzulehnen.

Aber was würde passieren? Ja, was würde passieren? Aufgrund der Tatsache, dass nun über viele Monate auf die Brisanz der aktuellen Situation erfolglos hingewiesen wurde.

Ich kann es Euch – ich kann es Ihnen sagen, was passieren würde: nichts! Es würde nichts passieren.

Deshalb habe ich einen ganz anderen Vorschlag, der – und da bin ich mir ganz sicher - zu einer stabileren Haushaltslage, zu einer organisierteren Verwaltung und zu einem professionelleren politischen Handeln führen würde.

Ich schlage mehr Freundlichkeit vor. Lasst es uns mit mehr Freundlichkeit versuchen. Die Idee dazu kam mir beim Lesen eines Zitates des früheren Leiters der Bundespressekonferenz Ekkehard Kohrs (1994 bis 2011), der nicht müde wurde zu erwähnen, dass, wenn „ein Politiker aus eigener Einsicht oder nach sanftem Druck sein Amt niederlegt, dann jene Freundlichkeiten hört, die er in seiner aktiven Zeit nicht zu Ohren bekam“.

Sei Dir meiner Freundlichkeiten gewiss, lieber Günther.

Ich empfehle im Namen der SPD-Fraktion, dem Haushalt zuzustimmen.

Ich habe es die letzten Male schon so gehalten, dass ich mich nicht bei einzelnen Personen für ihr Engagement für die Stadt Monheim bedanke – eben wegen der Gefahr, jemanden vergessen zu können. Somit bedanke ich mich stellvertretend bei allen Monheimerinnen und Monheimern, die sich für die Stadt und deren Menschen eingesetzt haben und dazu beitragen, dass ein lebhaftes, buntes und soziales Miteinander möglich ist. Herzlichen Dank.

Haushaltsrede 2024 der SPD-Fraktion vom 07.05.2024, gehalten von Andreas Pelzer (es gilt das gesprochene Wort).